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Text aus:

Zeitschrift für Sozialökonomie Nr. 133 vom Juni 2002

Seite 14 - 19

ISSN 0721-0752

 

 

Helmut Creutz:

Vollgeld und Grundeinkommen

Anmerkungen zum Buch "Vollgeld" von Joseph Huber

 

Es ist schon erstaunlich: Da ist seit 1998 ein umfangreiches und inhaltsschweres Buch über das Geld auf dem Markt, das im Umfeld der Geldreformbewegung (vielleicht auch wegen seiner hohen Kosten?) bislang kaum Beachtung gefunden hat. Dabei gibt dieses von Joseph Huber geschriebene Buch "Vollgeld" (1) mit dem Untertitel "Beschäftigung, Grundsicherung und weniger Staatsquote durch eine modernisierte Geldordnung" gleich einen doppelten Anlass, sich mit ihm zu befassen. Einmal weil sich das Buch auf detaillierte und erfreulich realitätsnahe Weise mit unserem heutigen Geldwesen beschäftigt – zum zweiten, weil sich Huber in einem separaten 20seitigen Anhang mit den Geldreformvorstellungen von Silvio Gesell auseinandersetzt.

Dieser Anhang mit dem Titel "Kritik des Schwundgeldes nach Silvio Gesell" (der leider nicht dem sonstigen Niveau des Buches entspricht), bedarf sicherlich einer gründlichen Aufarbeitung und Stellungnahme, die hoffentlich noch geleistet wird. An dieser Stelle soll lediglich auf die wichtigsten Reformvorschläge Hubers eingegangen werden, die in seinem Buch unter den Begriffen "Vollgeld" und "Bezugsrechtfinanzierte Grundeinkommen" behandelt werden.

Trotz meiner z.T. kritischen Anmerkungen zu diesen Schwerpunkten und trotz Hubers fragwürdiger Behandlung des Themas Gesell und Freiwirtschaft enthält das Buch die aus meiner Sicht gründlichste Analyse unseres heutigen Geldsystems, die in den letzten Jahrzehnten von einem Wissenschaftler geleistet worden ist. Das vor allem im Hinblick auf seine weitgehend sachgerechten Darlegungen der Geldmengendefinitionen sowie der Beziehungen zwischen Notenbanken und den Geschäftsbanken. Darüber hinaus enthält es höchst interessante und detaillierte Abhandlungen und Reformanregungen zu fast allen anderen gesellschaftspolitischen Bereichen. Auch wenn der Preis des Buches mit fast fünfzig Euro sicher für viele eine zu hohe Schwelle bleiben wird, ist diese Ausgabe sinnvoll und allen an Geldfragen eingehender Interessierten zu empfehlen.

 

 

"Vollgeld"

 

Unter diesem Begriff versteht Huber im wesentlichen die Umwandlung der heutigen bei den Banken geführten Giral- bzw. Buchgeldbestände in offizielles Geld, also eine Ausweitung der staatlich herausgegebenen gesetzlichen Zahlungsmittel, die ja auch von mir seit längerem als sinnvoll angesehen wird (2). Vergleichen kann man diese Übernahme des Giralgeldes durch die Notenbanken mit jener der Banknoten im 19. Jahrhundert.

Bekanntlich hatten Banken und Geldverleiher bereits seit dem Mittelalter für die Hinterlegung von Münzgeld an ihre Kunden Quittungen herausgegeben, die zunehmend selbst Zahlungsmittelfunktionen übernahmen. Schließlich haben die Kreditinstitute für diesen Zweck sogar spezielle "Banknoten" gedruckt, die aus praktischen Gründen die Münzbenutzungen immer mehr zurückgehen ließen, vor allem für Zahlungsabwicklungen bei größeren Beträgen. Da mit der Zunahme dieser Ersatzzahlungsmittel die Notenbanken Ende des 19. Jahrhunderts ihre Kontrolle über die Geldmittel gefährdet sahen, haben sie die Ausgabe dieser Banknoten nach und nach selbst übernommen und schließlich den Geschäftsbanken untersagt.

Ähnlich wie einst bei der Herausgabe der Banknoten haben die Banken in der Vergangenheit auch eine andere zahlungstechnische Innovation weiter ausgebaut, nämlich die Einrichtung spezieller Konten, mit deren Hilfe die Bankkunden ihre Zahlungsvorgänge unbar abwickeln können. Statt also Bargeld für Zahlungen abzuheben und zum Empfänger zu expedieren, der es dann häufig wieder einzahlen musste, konnte man mit einem entsprechend aufgefüllten Girokonto diesen Zahlungsausgleich durch direkte Übertragung von Konto zu Konto durch die Bank erledigen lassen. Verständlich, dass dieser praktische Zahlungsweg zunehmend genutzt wurde und inzwischen umsatz- und umschlagsmäßig die Barzahlungen fast überall weit überflügelt hat. Mit dieser Nutzungsausweitung ist diesen Bankkonten inzwischen - ähnlich wie vorher bei den Banknoten - immer mehr die Zahlungsmitteleigenschaft zugekommen. Deshalb sollen - nach Huber - auch diese Bestände auf den Girokonten in die Verantwortung der Notenbanken übernommen und damit zu vollwertigem Geld - eben "Vollgeld" - werden!

Mit der Verwirklichung dieses Vorschlags würde nicht nur die Kontrolle der gesamten Zahlungsmittel in die Hände der Notenbanken gelegt, sondern endlich auch eine klare Trennung zwischen Geld und Guthaben geschaffen, die heute bei den Sichtguthaben nicht gegeben ist. Mit einer solchen Übernahme durch die Notenbanken würden außerdem die ganzen strittigen Geldmengendefinitionen mit all ihren fragwürdigen Varianten überflüssig. Ebenfalls käme es zu einer klaren Abgrenzung zwischen den Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Geschäfts- und der Notenbanken, womit auch die heutigen Spekulationen und Streitereien über die "Geldschöpfung der Banken" endgültig überwunden werden könnten. Geld ist dann unstrittig nur noch das, was die Notenbank als Münz-, Papier- und Buchgeld in ihrer Obhut hat und den Bürgern zur Verfügung stellt.

Diese eigentlich längst überfällige und auch in meinem Buch geforderte klare Trennung zwischen Geld und Guthaben bzw. Geld und Kredit (3) wäre also mit vielen Vorteilen verbunden - nicht zuletzt mit einer Stärkung der Position der Notenbanken, die heute aufgrund der Ausweitung der Sichtguthabenbestände und des Rückgangs der Bargeldnutzung die direkte Kontrolle über die Zahlungsmittelmenge immer mehr verlieren. Denn während sich die Bar- und Giralgeldbestände in den ersten drei bis vier Nachkriegsjahrzehnten noch relativ im Gleichschritt mit der nominellen Wirtschaftsleistung entwickelt und lediglich gegeneinander verschoben haben, hat ihre Zunahme inzwischen diese Grenzen gesprengt (siehe Darstellung 1). Diese Überentwicklungen, die nicht zuletzt auch mit den gewachsenen Spekulationsmassen und -kassen zusammenhängen dürften, machen es den Notenbanken immer schwerer, mit Hilfe des relativ kleiner werdenden Hebels in ihren Händen das Geschehen im Geldbereich noch korrekt zu steuern.

 

 

Darstellung 1:

Entwicklung monetärer Größen im Vergleich

Deutschland 1950 bis 2000 - im Fünfjahresabstand in % des BSP

 

 

 

 

 

 

Die Auswirkungen von "Vollgeld"

 

a) für die Bankkunden

Für die Bankkunden bleibt im Grunde alles beim alten. Die Bestände auf den Buchgeldkonten sind – wie bisher auf den Giralgeldkonten – ihr frei verfügbares Eigentum. Weiterhin von den Banken geführt, können die Besitzer über diese Konten wie bisher ihre Überweisungen, Daueraufträge usw. abwickeln. Das gleiche gilt für die Bargeldein- und -auszahlungen, den Austausch von Bar- gegen Buchgeld sowie die Übertragung überschüssiger Geldhaltungen auf normale verzinste Bankkonten usw. Auch würde es bei den Banken weiterhin die verschiedensten Guthaben- und Kreditformen mit unterschiedlichen Bindungsfristen bzw. Laufzeiten geben. Während jedoch diese Sichtguthaben für die Besitzer bislang eine Forderung gegenüber der Bank darstellten, wären die daraus entstandenen Buchgeldguthaben in Zukunft ein Teil ihrer Geldbestände, die von den Banken für ihre Kunden verwaltet werden.

Da allerdings diese Buchgeldbestände von den Banken nicht mehr für zwischenzeitliche Ausleihungen benutzt werden könnten, würden alle heute noch für Girokonten gezahlten Guthabenzinsen entfallen. Außerdem müssen die Banken, die bislang den relativ teuren Überweisungsverkehr zum Teil aus den Zinserträgen der kurzfristigen Bestandsverleihungen finanzieren konnten, jetzt ihre Kunden mit den vollen Kosten des unbaren Zahlungsverkehrs belasten. Da als Folge dieser Gegebenheiten jedoch die Geldkontenbestände auf das notwendige Minimum abgebaut und außerdem die Zahlungsabwicklungen aufgrund der elektronischen Innovationen immer billiger werden, dürfte diese Kostenumlage die Attraktivität der Benutzung dieser Zahlungsmittel kaum beeinträchtigen.

 

b) für die Geschäftsbanken

Auch für die Geschäftsbanken würde sich im Grunde nicht viel verändern. Sie würden die Buchgeldbestände in der Praxis genau so weiterführen wie bisher die Girokontenbestände. Der Fortfall der bisherigen zwischenzeitlichen Ausleihmöglichkeit dieser Buchgeldbestände und die damit verbundenen Zinseinnahmeverluste sind für das Kreditgeschäft jedoch nicht ohne Folgen. Allerdings ist anzunehmen, dass die Banken ihren Kunden sehr rasch täglich kündbare und verzinste Geldmarktkonten für ihre überschüssigen liquiden Geldbestände anbieten werden. Damit können die Bankkunden nicht nur den Kosten der Geldhaltung kurzfristig entgehen, sondern die Banken können auch die sonst entstehenden Kreditlücken weitgehend schließen. Da alle Überweisungen jedoch nicht mehr von Zentralbankgeld begleitet zu werden brauchen, ergeben sich für die Banken andererseits aber auch Vereinfachungen. Das gilt auch für den Wegfall der Mindestreserve-Vorschriften. Infolgedessen können die Banken – wie bei dem Bargeld in den Kassen – auch über die Höhe ihrer Zentralbankgeldguthaben selbst bestimmen.

Was für die Banken ein größeres Problem sein könnte: die Kosten für die insgesamt zu verwaltenden Geldbestände, die ja um die heutigen Girokonten erweitert werden, wären höher. Würden diese erweiterten Geldbestände, wie bisher beim Bargeld üblich, den Geschäftsbanken von den Notenbanken über zinsbelastete Kredite zur Verfügung gestellt, würden die Belastungen für die Banken und damit die Wirtschaft deutlich ansteigen. Zur Schaffung eines weichen Übergangs sollen darum nach dem Vorschlag von Huber die Buchgeldbestände den Banken anfangs zinsfrei überlassen und nach und nach in normale Notenbankkredite umgewandelt werden – sicher eine etwas fragwürdige Lösung dieses Problems.

In diesem Zusammenhang stellt sich allerdings die grundsätzliche Frage, ob und weshalb eigentlich diese Kreditkosten – sowohl für die Bargeldversorgung als dann auch für die Buchgeldversorgung – bei den Banken hängen bleiben sollen, die sie ihrerseits letztlich nur auf die Kreditnehmer überwälzen können, die meist gar kein Bargeld in Anspruch nehmen. Eine nach dem Verursacherprinzip sachgerecht kalkulierte Umlage der Kosten auf die Geldnutzer ist also in unserem Geldsystem längst überfällig. Entweder muss den Banken das eigentlich selbstverständliche Recht zur Kostenumlage auf diese Bar- und Buchgeldnutzer eingeräumt oder ein anderer Weg der Geldausgabe gewählt werden, der die Banken nicht mit Kosten belastet.

Mit einer Umlage der Bankkosten auf die Geldnutzer ergäbe sich außerdem – sofern sie auf die Bestände und nicht auf die Vorgänge bezogen werden – die Möglichkeit zu einer Verstetigung der Geldhaltung bzw. des Geldumlaufs, was für die Notenbanken von großem Vorteil bei der Steuerung der Geldmenge wäre und im Prinzip der Forderung nach einer zinsunabhängigen Geldumlaufsicherung entsprechen würde.

 

c) für die Notenbanken

Neben dem bereits angeführten größeren Einfluss auf die Geldmenge und deren Steuerung und Kontrolle würde sich das Geldvolumen in den Händen der Notenbanken erheblich vergrößern. Geht man von den heutigen Gegebenheiten aus, würde die ausgegebene bzw. zu verwaltende Gesamtgeldmenge, bezogen auf den Währungsraum der Deutschen Bundesbank und das Jahr 2000 zum Beispiel von rund 330 Mrd DM (Bargeld einschl. Kassen- und Zentralbankgeldbestand der Banken) durch den hinzukommenden Buchgeldbestand auf ca 1.150 Mrd DM ansteigen. Da es sich dabei jedoch Lediglich um Buchungsvorgänge handelt, ist diese Ausweitung der Geldmenge – im Gegensatz zu jenen im Bargeldbereich – nur mit einem geringem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden. Außerdem würde sich mit dem Wegfall der Mindestreserven für die Notenbanken der Kontrollaufwand verringern.

Soweit die erweiterten Geldmengen über Kredite an die Geschäftsbanken ausgegeben werden, würden natürlich die Zinseinnahmen der Notenbanken erheblich zunehmen. Da diese Einnahmen jedoch – soweit sie die Kosten der Notenbanken übersteigen – an den Staat und damit an die Bürger zurückfließen, würde es sich dabei letztlich um eine Art Steuer mit sozial eher positiven Umverteilungswirkungen handeln.

Diese Frage nach den Verteilungswirkungen stellt sich natürlich auch bei allen laufenden Ausweitungen der Geldmenge, die ja mit der Wirtschaftsleistung zunehmen muss. Mit diesem Komplex der Notenbankeinnahmen bzw. Geldmengenausweitungen verknüpft Huber nun das Modell einer allgemeinen Grundsicherung bzw. von Grundbezugsrechten, die direkt und ohne Umweg über den Staat den Bürgern zugute kommen sollen.

 

 

Grundsicherung – Grundbezugsrechte

 

Das Thema einer Grundsicherung der Bürger aus Steuermitteln wird bereits seit den 1960er Jahren immer wieder diskutiert, vor allem auch in den USA, wie Huber in seinem Buch belegt. Unter den Begriffen Bürgergeld, Grundeinkommen oder Negativsteuer ist diese öffentliche Zuwendung in den letzten Jahren auch bei uns immer häufiger ins Gespräch gekommen. Verstanden wird darunter bekanntlich ein bestimmtes Einkommen, das entweder an alle Bürger oder – wie von Huber entwickelt – statt anderer sozialer Hilfen an bestimmte Bürgergruppen gezahlt werden soll.

Statt der heute üblichen Finanzierung solcher sozialen Ausgleichszahlungen über Steuern und Abgaben verknüpft Huber diese nun mit den Geldmengenausweitungen der Notenbanken. Dabei kommt ihm die Übernahme der heutigen Sichtguthaben durch die Notenbanken sehr entgegen, da sich damit das zur Verfügung stehende Verteilungspotenzial erheblich vergrößert. Denn während beispielsweise die Bargeldausweitungen der Bundesbank im Schnitt der letzten zehn Jahre bei 9 Mrd DM lagen, nahmen die Sichtguthaben p.a. um 43 Mrd DM zu. Das heißt, im vergangenen Jahrzehnt hätte im rechnerischen Mittel jährlich ein Gesamtbetrag von 52 Mrd DM als Verteilungsmasse zur Verfügung gestanden.

Vergleicht man diese Beträge mit den Sozialausgaben des Staates, dann schmelzen sie allerdings auf eine relativ geringe Größe zusammen. So lag beispielsweise das gesamte Sozialbudget 1999 bei 1.300 Mrd DM. Mit dem Zuwachs der Geldmenge um 52 Mrd DM hätten gerade die Ausgaben für die Sozialhilfe finanziert werden können.

 

 

Bedenken gegen eine Verknüpfung von Geldmengensteuerung und sozialer Grundsicherung

 

Hier ist als erstes die Frage zu stellen, ob eine Verknüpfung bzw. Vermischung der Aufgaben einer Notenbank mit sozialstaatlichen Aufgaben überhaupt sinnvoll bzw. vertretbar ist. Weiterhin dürfte es mehr als problematisch sein, weitgehend festliegende und gleichbleibende Ausgabenposten des Staates an eine äußerst schwankende Größe wie die jährlichen Geldmengenausweitungen zu binden. So nahm – um einige Beispiele anzuführen – die Bargeldmenge 1997 überhaupt nicht zu. 1998 nahm sie sogar um 5 Mrd DM ab. 1999 stieg sie dann wieder um 13 Mrd DM, um im Jahr 2000 erneut um 10 Mrd abzunehmen. Das heißt, in den letzten vier Jahren gab es per saldo insgesamt sogar eine leichte Abnahme der Bargeldmenge. Für eine Verteilung hätte also überhaupt kein Geld zur Verfügung gestanden.

Diese Tatsache ist Joseph Huber natürlich bekannt und für ihn sicherlich auch einer der Gründe gewesen, die stärker zunehmenden Giralgeldbestände mit in die offizielle Geldmenge aufzunehmen. Denn beide Bestände zusammen haben z.B. in den letzten vier Jahren von 917 auf 1.123 Mrd DM – also um 206 Mrd DM – zugenommen. Das entspricht einem durchschnittlichen jährlichen Anstieg von 55 Mrd DM. Allerdings schwankten die jährlichen Zunahmen ganz erheblich zwischen 21 und 85 Mrd DM.

Vergleicht man diese Beträge mit den oben angeführten Gesamtausgaben im Sozialbereich, wird deutlich, dass sie auch nach einer Zusammenfassung von Bar- und Giralgeld nicht zur Finanzierung der Sozialausgaben ausreichen. Außerdem ist noch zu beachten, dass der relativ hohe Anstieg von M1 in den letzten Jahren wesentlich mit dem Börsenboom und den damit verbundenen Ausweitungen der Spekulationskassen zusammengehangen haben dürfte. Die Spekulationsgelder werden ja weitgehend im Bereich der heutigen Sichtguthaben gehalten. Langfristig gesehen würde sich die Geldmenge M1 – wie von 1950 bis 1988 der Fall – bei korrekter Geldmengensteuerung jedoch nur im Gleichschritt mit der Wirtschaftsleistung entwickeln, womit der Verteilungsspielraum durch das hinzukommende Notenbankgeld auch nur im Gleichschritt mit dem Wirtschaftswachstum zunehmen würde. Danach hätte z.B. in den letzten vier Jahren der jährliche Zuwachs nur bei 25 Mrd DM gelegen, pro Kopf der Bevölkerung also bei 300 DM im Jahr. Beachtet man weiterhin, dass in den verschiedenen Plänen für ein Bürgergeld bzw. eine Steuerrückerstattung heute Größenordnungen von 1.000 DM pro Kopf und Monat im Gespräch sind (was mit einem Gesamtbetrag von rund 980 Mrd pro Jahr den heutigen Aufwendungen für den sozialen Sektor nahe käme), wäre die mögliche Finanzierungshilfe der Notenbank mit monatlich 25 DM eher eine Bagatelle.

Geht man zudem noch davon aus, dass es in einer nachhaltigen bzw. einer optimalen ökologisch orientierten Kreislaufwirtschaft eines Wachstums der Wirtschaft und damit auch der Geldmenge gar nicht mehr bedarf, würde es gar keine Möglichkeiten mehr geben, seitens der Notenbank irgendwelche öffentlichen Ausgabenfelder zu finanzieren. Außerdem ist zu befürchten, dass bei einer solchen Übernahme der Finanzierung staatlicher Ausgaben durch die Notenbank der politische Druck auf diese noch mehr als heute zunehmen würde, eine lockere Geldpolitik zu betreiben. Ganz besonders in Flautezeiten, in denen die Sozialkosten des Staates steigen, während sowohl die Steuereinnahmen als auch die Geldmengenausweitungen tendenziell zurückgehen.

Weiterhin ist die Frage zu stellen, ob die Notenbanken unter den heutigen Gegebenheiten überhaupt auf die Ausgabe des Neugeldes über Kredite an die Geschäftsbanken verzichten können. Selbst Joseph Huber ist der Auffassung, dass dieser Weg auch zukünftig kaum auszuschließen ist. Denn so lange die Notenbanken die Geldmenge nicht direkt über den Preisindex steuern können, das heißt, so lange sie den Geldumlauf nicht in den Griff bekommen, werden sie gezwungen sein, den Geldbedarf weiterhin über ständig revolvierende Ausleihungen des Notenbankgeldes zu kontrollieren, auch um damit über die Zinsentwicklung und deren Beeinflussung den Bedarf der Märkte abzutasten. Eine kreditfreie Ausgabe des Neugeldes vorbei an den Banken – ob an den Staat oder direkt an die Bürger – würde aus diesen Gründen erst möglich werden, wenn der Geldumlauf auf andere Weise verstetigt und damit zu einer berechenbaren Größe wird. Diesen Weg schließt Huber jedoch mit seiner Kritik an den Lösungsvorschlägen Gesells leider von vorn herein aus.

 

 

Fazit

 

Auch wenn nach kürzlichen Untersuchungen die Endnachfrage in Deutschland 1997 noch zu 76 Prozent über Bargeldzahlungen abgewickelt wurde (siehe Darstellung 2), dürfte auf Grund der zunehmenden bargeldlosen Zahlungsalternativen die Frage einer Einbeziehung des Giralgeldes in die Verantwortung der Notenbanken immer dringlicher werden. So erfreulich darum Hubers Plädoyer für diese Einbeziehung ist, so fragwürdig scheint mir jedoch die Verknüpfung der Geldemission mit staatlichen Zahlungsverpflichtungen zu sein. Dies vor allem, wenn diese Geldemission, zur Verstetigung der Kaufkraft des Geldes, zukünftig noch enger als bisher an die Leistungsentwicklung angeglichen werden muss.

 

 

Anmerkungen

 

(1) Joseph Huber, Vollgeld — Beschäftigung, Grundsicherung und weniger Staatsquote durch eine modernisierte Geldordnung. Berlin: Duncker & Humblot, 1998.

(2) Helmut Creutz, Das Geldsyndrom — Wege zu einer krisenfreien Wirtschaftsordnung. München: Econ, 5. Taschenbuchaufl. 2001.

(3) Helmut Creutz, Geldschöpfung durch Geschäftsbanken - Theorie oder Wirklichkeit?, in: Zeitschrift für Sozialökonomie 108. Folge (1996), S. 22-41.

 

 

 

Darstellung 2:

Bargeld mit weitem Abstand an der Spitze!

 

Das Bargeld ist in Deutschland immer noch das weitaus beliebteste Zahlungsmittel. Bedenkt man, dass Mitte der 80er Jahre das Endnachfragevolumen noch zu 83 Prozent mit Bargeld abgewickelt wurde, ist auch der längerfristige Rückgang auf rund 78,7 bzw. 76,5 Prozent in den 90er Jahren nicht allzu groß.

Wie die Zahlen in der Grafik wiedergeben, bewegen sich die vier größten Konkurrenten des Bargeldes im Einzelhandel auch heute noch alle unter zehn Prozent des Umsatzvolumens. Außerdem spielten sich die größten Verschiebungen zwischen 1994 und 1997 innerhalb dieser Alternativen ab. So ist z.B. die Scheckbenutzung von 1994 bis 1997 von 8,3 auf 3,5 Prozent gefallen, während die Benutzung des ec-Lastschriftverfahrens von 1,7 auf 8,0 Prozent förmlich explodierte. Aufgrund der praktischen Handhabung dieser ec-Karten, die mit Bargeldspeicherung auch als Geldkarten benutzbar sind, ist eine weitere rasche Zunahme ihrer Verwendung zu vermuten. Allerdings dürfte sie zu einem guten Teil zuerst einmal andere unbare Zahlungsmittel verdrängen, vor allem wahrscheinlich die für den Handel besonders teuren Kreditkarten. Auch wenn diese Kreditkarten in den USA, bezogen auf die Transaktionswerte, den Markt dominieren, ist das Bargeld – was sicher überraschend ist – auch dort noch mit 87 Prozent an den Transaktionsvorgängen beteiligt. Gemessen an diesen Transaktionsvorgängen dürfte die Bargeldnutzung im deutschen Einzelhandel also hoch im Bereich der 90er Prozentgrößen liegen.