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Text
aus:
Wolfram Engels, Armin Gutowski, Walter Hamm, Wernhard
Möschel, Wolfgang Stützel, Carl Christian von Weizsäcker, Hans Willgerodt
(KRONBERGER KREIS)
April 1986
Frankfurter Institut für
wirtschaftspolitische Forschung e.V.
Kaiser-Friedrich-Promenade 157
6380
Bad Homburg v.d.H.
ISBN 3-89015-011-X
47. Die
hier vorgeschlagenen Steuer- und Basisgeldsätze sind so kalkuliert, daß die
Bürgersteuer denselben Ertrag bringt wie die Steuern, die sie ersetzt,
vermindert um die Sozialleistungen; die sie ersetzt. Das ist aus mehreren
Gründen eine konservative Schätzung:
- Zum
ersten wird die Umverteilungspolitik effizienter, wenn den Bedürftigen anstelle
von Sachleistungen oder bedingten Zahlungen Geld zur freien Verfügung gegeben
wird. Deshalb läßt sich in vielen Fällen der soziale Aufwand kürzen, ohne daß
sich der soziale Nutzen für die Begünstigten vermindert.
- Zum
zweiten macht die Trennung von Wirtschaftslenkung und Umverteilung die
Wirtschaft effizienter, das Steuersystem also ergiebiger.
- Zum
dritten wird schließlich die Besteuerung gleichmäßiger. Da wirtschaftliche
Aktivitäten nicht mehr in niedrig besteuerte Bereiche gedrängt werden, ergibt
sich ein höheres Steueraufkommen.
48. Bei
der Bürgersteuer ist die Steuerzahllast in anderer Weise über das Leben
verteilt als bei der heutigen Einkommensteuer. Die laufende Steuerzahllast des
einzelnen ist geringer. Dafür tritt nach dem Lebensende eine Steuernachzahlung
in Form der Vermögenszuwachssteuer auf. Würde man die Bürgersteuer ohne weitere
Übergangsregelungen in Kraft setzen, so hätte das erhebliche Ungerechtigkeiten
zur Folge: Das gesamte, aus versteuertem Einkommen gebildete Vermögen sowie der
bisher steuerfreie Vermögenszuwachs von Bürgern, die unmittelbar nach der
Umstellung sterben, unterläge der Vermögenszuwachssteuer. Auch diejenigen, die
den Zeitpunkt der Umstellung weitaus länger überleben, trifft diese
Doppelbesteuerung insoweit, als ihr Vermögen in der Zeit vor der Umstellung
angewachsen war. Deshalb ist eine Übergangslösung, die eine derart einseitige
Belastung zumindest stark abschwächt, unumgänglich.
49. Es wäre auch nicht gerechtfertigt, nur den bis zum
Tode unversteuerten Anteil des Vermögenszuwachses der Steuer zu unterwerfen,
selbst wenn dieser Anteil festgestellt werden kann, was z.B. bei Häusern oder
Bauernhöfen, die sich schon seit mehreren Generationen im Besitz einer Familie
befinden, kaum möglich sein dürfte. Zwar trifft es zu und läßt sich auch
nachweisen, daß jemand, der ein Haus im Wert von 500.000,- DM hinterläßt, das
er zwanzig Jahre zuvor für 140.000,- DM erworben und steuermindernd auf
80.000,- DM abgeschrieben hat, einen unversteuerten Vermögenszuwachs von
420.000,- DM erzielt hat. Doch wenn man auf diesen Anteil des
Vermögenszuwachses eines kurz nach der Umstellung verstorbenen Bürgers die
Vermögenszuwachssteuer erheben wollte, ließe man die Vermögenswirkungen außer
acht, die sich vorher aus der ungleichen steuerlichen Belastung der
verschiedenen Investitionsformen durch den Gesetzgeber ergeben hatten. Diese
Eingriffe haben nämlich dazu geführt, daß hochbesteuerte Anlageformen - z.B.
Eigenkapital von Unternehmen - auch hohe Renditen vor Steuern erzielen müssen,
während sich der Investor bei niedrig besteuerten Anlagen - z.B.
Wohnungseigentum - auch mit niedrigeren Renditen zufrieden geben konnte. Diese
Rechnung, die der Investor - etwa beim Kauf eines Hauses - im Vertrauen auf die
Fortgeltung der Steuergesetze aufgestellt hat, würde nachträglich falsch, wenn
bisher steuerfreie oder niedrig besteuerte, dafür aber relativ geringe
Vermögenszuwächse voll steuerpflichtig würden.
50.
Würde man allerdings sämtliche beim Systemwechsel schon vorhandene Vermögen von
der Vermögenszuwachssteuer freistellen, dann würde diese Steuer im ersten Jahr
fast keinen Ertrag bringen. Sie erreicht erst sehr langsam - in etwa 30 Jahren
- ihren vollen Ertrag. Es käme also zu einer beträchtlichen und langanhaltenden
Lücke im Steueraufkommen. Die Logik des Systems wird deutlich, wenn man sich
vorstellt, der Staat würde kaufmännisch bilanzieren. Wenn nur der Konsum der
laufenden Besteuerung unterworfen wird und die Ersparnisse erst nach Lebensende
der Vermögenszuwachssteuer unterliegen, so bedeutet das - gemessen am heutigen
System - eine langfristige Steuerstundung. Die gestundete Steuer verzinst sich
dabei mit demselben Prozentsatz, mit dem sich das Vermögen selbst verzinst. Der
Staat erwirbt gewissermaßen eine Hypothek auf sämtliche neugebildeten Vermögen.
Eine kaufmännische Bilanz des Staates würde also eine ständige Erhöhung der
Staatsvermögen ausweisen. Dieser staatliche Vermögenszuwachs ist das Gegenstück
zur Lücke im Steueraufkommen.
Anders ausgedrückt: Kaufmännisch gerechnet bringt die
Bürgersteuer vom ersten Jahr ab denselben Ertrag wie die Steuern und
Subventionen, die sie ersetzt. Sie erbringt diesen Ertrag nur anfangs nicht in
Geld, sondern in Form staatlicher Vermögenszuwächse.
Diese Betrachtungsweise würde es nahelegen, das
vorhandene Vermögen von der Vermögenszuwachssteuer freizustellen und die Lücke
im Steueraufkommen durch Kreditaufnahme zu finanzieren. Immerhin stünde dieser
Staatsverschuldung eine entsprechend hohe staatliche Vermögensbildung
gegenüber. Auch würden die Wirkungen, die der Staatsverschuldung im allgemeinen
zugeschrieben werden - Erhöhung des Zinsniveaus und geringere
gesamtwirtschaftliche Ersparnis -, hier vermutlich nicht eintreten. Die
Staatsverschuldung wäre wahrscheinlich nur der Gegenposten einer höheren
privaten Kapitalbildung, also sowohl zinsneutral als auch neutral hinsichtlich
der Gesamtvermögensbildung.
Dies wäre zwar eine gerechte, gleichwohl nicht eine
wünschenswerte Lösung des Übergangsproblems. Denn eine Senkung der
durchschnittlichen Steuerbelastung und damit ein marginaler Steuersatz von 30
Prozent wäre dann nicht möglich, weil der Staat für die aufgenommenen Kredite
Zinsen zu zahlen hätte. Um diese Zinsausgaben müßten die Steuern höher sein als
im vorliegenden Modell, damit das System auf Dauer aufkommensneutral sein
könnte.
51. Um
zu vermeiden, daß nach der Übergangsfrist eine dauerhafte Belastung des Staates
durch Zinsen aus der Übergangsregelung verbleibt, müssen die laufenden Steuern
vorübergehend erhöht wes. Diese Erhöhung sollte im Zeitablauf in dem Maße
wieder zurückgeführt werden, wie die Vermögenszuwachssteuer höhere Erträge
bringt. Bei der erforderlichen Steuererhöhung kann es sich um eine Erhöhung der
Bürgersteuer selbst handeln. So wäre etwa bei einer 40prozentigen Freistellung
des vorhandenen Vermögens im ersten Jahr nach dem Übergang bei der Bürgersteuer
vorübergehend ein Steuersatz von 33 Prozent (statt 30 Prozent) erforderlich. Würde
man stattdessen die Mehrwertsteuer wählen, so wäre eine Erhöhung um 4,5
Prozentpunkte erforderlich. Die vorübergehenden Steueraufschläge könnten um so
niedriger sein, je mehr die beim Übergang schon vorhandenen Vermögen der
Zuwachssteuer unterworfen werden.
52.
Konkret bietet sich als einfache und robuste Lösung für die Übergangszeit eine
Kombination von herabgesetzten Freibeträgen, vorübergehend höheren Steuersätzen
und vorübergehender Kreditaufnahme an. Sie könnte folgendermaßen aussehen:
- Für
das Vermögen, das beim Systemübergang vorhanden ist; wird ein Freibetrag bei
der Vermögenszuwachssteuer eingeräumt. Dieser Freibetrag wird in einem Zeitraum
von zehn Jahren linear auf Null abgebaut.
- Die
sich danach ergebende rechnerische Lücke im Steueraufkommen wird zu je einem
Drittel durch Erhöhung der Sätze der Bürgersteuer, der Mehrwertsteuer und durch
staatliche Kreditaufnahme geschlossen.
Dabei
ist wahrscheinlich, daß Kredite gar nicht lange in Anspruch genommen zu werden
brauchten. Der Autokonsolidierungseffekt der Bürgersteuer (Verbesserung der
Steuerstruktur, Anregung der Wirtschaftsaktivitäten) ist wahrscheinlich größer
als die rechnerische Lücke. Diese Lücke schließt sich kontinuierlich im Laufe
der Übergangsfrist von zehn Jahren. Der gewonnene Spielraum sollte dabei
zunächst zur Verminderung der Kreditaufnahme, danach zur Senkung der Sätze bei
der Bürgersteuer und der Mehrwertsteuer verwandt werden.