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Text aus « Fairconomy »
Nr. 2 vom September 2005 :
Köln, 8.7.2005
Alwine Schreiber-Martens:
“Immer
weniger Menschen produzieren in immer weniger Zeit immer mehr Güter.” schreibt
Jeremy Rifkin in seinem Buch “Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft”*. Die traditionelle
Erwerbsarbeit wird in Zukunft immer weniger direkte Einkommensquelle der
Menschen sein. Nicht nur deswegen gilt es, andere zu erschließen.
Natürlich
stammen alle Einkommen aus menschlicher Arbeit, auch wenn uns vieles von Mutter
Natur geschenkt wird: Licht, Luft, Wasser, Boden und die darin enthaltenen
Schätze. Der Fortbestand dieser Grundlagen des Lebens und Wirtschaftens aller
Menschen ist durch unser gegenwärtiges wachstumsorientiertes Wirtschaften
bedroht.
Wie
können diese Lebensgrundlagen, das Geschenk der Natur, geschützt und erhalten
werden? Wie kann jeder einzelne Mensch in gleicher Weise und kostenfrei an
diesem Geschenk teilhaben? Wie kann ausschließlich menschlicher Bedarf die
Triebfeder für Wirtschaftswachstum werden?
Ein
“Ressourcen-gestütztes” Grundeinkommen für jeden Menschen zeigt Lösungsansätze
für diese komplexe Aufgabe.
Das Naturgeschenk “Grund und Boden” ist größtenteils nicht
mehr allgemein verfügbar sondern Privateigentum. Daher kommen immer weniger
Menschen in den Genuss dieses Geschenks. Da Boden direkt oder indirekt die
Grundlage allen Lebens ist, wächst bei wachsender Bevölkerung auch die
Nachfrage nach geeignetem Boden in günstiger Lage. Wir bezahlen daher für die
Nutzung steigende Preise, die nur den Eigentümern zugute kommen. Boden ist aber
nicht durch menschliche Arbeit vermehrbar. Die Preissteigerung kann also nicht
durch Ausweitung des Angebots gebremst werden. Das Naturgut Boden ist nicht
einfach marktfähig, sondern das bedeutendste Monopolgut.
Aufgrund dieser Erkenntnis hat es immer wieder
Reformbewegungen gegeben, die das gleiche Anrecht aller Menschen am Boden
reklamierten. Der US-Amerikaner Henry George (1839-1897) war ein führender Kopf
dieser Bewegung im 19.Jahrhundert. Er hatte als Seemann und Goldgräber weltweit
Erfahrungen gesammelt. Sein Buch “Fortschritt und Armut – eine Untersuchung
über die Ursache der industriellen Krise und der Zunahme der Armut bei
zunehmendem Reichtum” wurde stark beachtet. Henry George's Plan war es, die
Bodenrenten, also jene Einkommen, die an die privaten Eigentümer des Bodens
fließen, mit einer Steuer abzuschöpfen. Als “single tax" hätten die
Einnahmen damals für die Finanzierung des gesamten Staatswesens ausreichen
können.
Die Bodenrente als leistungsloses Einkommen wird bei
Verpachtungen besonders deutlich. Die Bauern müssen einen Teil der Ernte für
die Bodenpacht aufbringen. Bei städtischem Boden haben die Bodenrenten noch
mehr Gewicht: Die Kosten der Baugrundstücke liegen heutzutage fast bei einem
Drittel der gesamten Immobilienpreise. Ihr Anteil allein an den Mieten beträgt
um die 20 bis 25 Prozent!
Eine Auszahlung der
abgeschöpften Bodenrente direkt an die Bürger wurde im 19.Jahrhundert noch
nicht diskutiert. Diese Idee kam zum ersten Mal Anfang des 20. Jahrhunderts
durch den Sozial- und Geldreformer Silvio Gesell (1862-1930) ins Gespräch. Sein
Gedanke war es, die Einnahmen aus der Bodenrente speziell den Müttern zukommen
zu lassen, um ihre finanzielle Sicherheit und Unabhängigkeit zu stärken. Über
seine Zeit hinaus denkend forderte Gesell sogar, diese Zahlung weltweit allen
Müttern – und damit auch allen Kindern – zukommen zu lassen, unabhängig von
Herkunft und Hautfarbe. Nach seiner Sicht hat jeder in die Welt Geborene einen
gleichen Anspruch an alle Güter der Natur! Im Prinzip kann man dieses
“Müttergeld" schon als eine Art Grundeinkommen ansehen, da die Zahlungen
indirekt allen Bürgern in ihrer Jugendzeit zugute kommen.
Wie
haben alle etwas vom Boden?
Nach Gesells
Vorstellungen sollte der Boden, wie zur Zeit der Allmende und vor Einführung
des Römischen Rechts, wieder in ein allen gehörendes Gemeinschaftsgut zurück
verwandelt werden. Gesell hatte dazu den im Grunde genialen Plan entwickelt,
dass unabhängige Ämter den Boden mittels verzinslicher Staatspapiere
zurückkaufen und die Bodenflächen zeitbegrenzt den Meistbietenden gegen Pacht
zur privaten Nutzung überlassen.
Eine Steuer zur Abschöpfung
der Bodenrenten ähnlich wie Henry George schlägt Fritz Andres (siehe Heft Nr.
257 Schriftenreihe “Fragen der Freiheit” des Seminars für Freiheitliche
Ordnung, Badstr. 35, D-73087 Bad Boll, http://www.sffo.de) vor. Dazu soll die
gegenwärtige Grundsteuer in eine Bodenwertsteuer umgewandelt werden. Die
gegenwärtige Steuer belastet Boden und
Bauwerk. Die Änderung – zunächst aufkommensneutral – stellt das Bauwerk
frei und entlastet damit Arbeit, während der Boden und damit Naturgebrauch
entsprechend mehr belastet wird. Die Effekte dieser Umwandlung sind sehr
vielfältig: Ungenutzter Boden und Baulücken werden mobilisiert und der von der
Planung vorgegebenen Nutzung zugeführt. Die höhere Steuerlast macht nämlich das
Liegenlassen des Bodens weniger attraktiv. Die Belastung hält die Eigentümer zu
flächensparender Nutzung an. Je nach Höhe kann die Steuer Planungswertgewinne,
d.h. Wertsteigerungen aufgrund veränderter Raumordnung bzw. Bauleitplanung,
abschöpfen. Dies mindert das Interesse der Eigentümer an der Beeinflussung der
Planung und ist außerdem ein Gebot der Gerechtigkeit. Die Steuererhebung wird
wesentlich vereinfacht, Steuerhinterziehung oder Steuerflucht erschwert! Sie
ist eine der wenigen Steuern, die den Besteuerungsgegenstand durch die
Belastung nicht einschränkt, sondern seine Verfügbarkeit erhöht. In Dänemark
wurde 1922 diese Umwandlung durchgeführt, und sie hat hervorragende
bodenpolitische Wirkung!
Beide Modelle, das
Gesell’sche des Rückkaufs verbunden mit (Erb-)Pacht gegen Meistgebot wie auch
das der Bodenwertsteuer, sind kombinierbar und stufenweise realisierbar. Sie
ermöglichen auf friedlichem Wege das Abschöpfen der Bodenrenten. Die
gleichmäßige Rückverteilung pro Kopf sichert einen Einkommenszufluss für jeden
Menschen. Nach Berechnungen von Helmut Creutz kann z.B. bereits eine 5%-ige
Besteuerung des Werts allein des bebauten Bodens, des Baulandes und der
ausgebauten Verkehrsflächen in Deutschland eine Einnahme von 100 Mrd. Euro pro
Jahr ergeben, also pro Kopf der Bevölkerung (80 Mio. Einwohner) 1250 Euro pro
Jahr, also ca. 100 Euro Grundeinkommen aus Boden pro Kopf und Monat. Diese
Schätzung ist wohl gemerkt sehr vorsichtig!
Bei allen nicht vermehrbaren Naturgütern ist es wie beim
Boden, denn immer wenn ein knappes Gut durch menschliche Arbeit nicht
vermehrbar ist, entsteht die Möglichkeit einer “Knappheitsrente”: Allein
aufgrund des Eigentums, ohne eigene Leistung ergibt sich ein ökonomischer
Vorteil. Für soziale Gerechtigkeit und für nachhaltiges Wirtschaften müssen
aber alle Menschen gleich an diesen natürlichen Knappheitsrenten teilhaben.
Beim Wasser wird die Aktualität überdeutlich: Mit weltweit
zunehmender Knappheit an Trinkwasser wächst das Interesse kaufkräftiger
Investoren an der Privatisierung von Wasserrechten, also an der privaten
Aneignung der steigenden Knappheitsrenten. Gleichzeitig wächst die
Notwendigkeit, das kostbare und knappe Gut zu schützen und doch allen
zugänglich zu machen.
Bei der Luft wird Knappheit inzwischen z.B. in der begrenzten
Aufnahmekapazität für CO2 spürbar. Die weltweite Klimaveränderung erfordert
eine drastische Verringerung der CO2-Emissionen. Dafür wurden im
Kyoto-Protokoll sogenannte Emissionsrechte vereinbart und an die bisherigen
(Groß-) Verbraucher der Ressourcen verteilt – im Ergebnis eine nahezu
kostenfreie Weiter-Nutzung eines Umweltgutes nach dem “Eroberungsstand” von
1990. Inzwischen entwickelt sich ein Markt für diese Rechte, der Preis ist von
anfangs fünf Euro auf inzwischen 17 Euro pro Tonne CO2 gestiegen. Die
zunehmende Knappheit beschert also bereits jetzt den Inhabern der
Emissionsrechte eine Knappheitsrente.
Fritz Andres hat einen
Vorschlag ausgearbeitet, um die Abschöpfung der Knappheitsrente über den Boden
hinaus auch auf alle anderen Umweltgüter auszuweiten. bekannte Reformmodelle in
allgemeiner Form weiterentwickelt. Dazu wird auf der umweltpolitischen Planungsebene
für ein Umweltgut aus ökologischen Gründen eine Nutzungsbegrenzung vereinbart.
Dabei wird entweder die Menge (vgl. Kyoto-Protokoll), die verbraucht werden
darf, oder ein Preis für die Nutzung (ähnlich Ökosteuer) festgelegt. Im ersten
Fall werden die Nutzungsanteile dann meistbietend versteigert. In beiden Fällen
wird das Umweltgut durch die laufend anfallenden Entgelte (Preise) geschützt.
Gleichzeitig sorgt der (hohe) Preis dafür, daß das Umweltgut in der Weise bzw.
dort genützt wird, wo seine Nicht-Verfügbarkeit besonders teuer wäre bzw. sein
Nutzen besonders groß ist. Die gleichmäßige Pro-Kopf-Rückverteilung der Abgaben
garantiert dann auf der Verwendungsebene, daß für jeden Menschen die
“durchschnittliche” Nutzung des Umweltgutes kostenfrei ist. Genau diese
Durchschnittssumme wird nämlich im Ergebnis an jeden einzelnen ausgezahlt. So
kann unabhängig von der Höhe jeder im Durchschnitt “mithalten”.
Die Lenkungswirkung hoher Abgaben schlägt sich im Verhalten
der Einzelnen nieder: Der unterdurchschnittliche Verbrauch eines Umweltgutes
führt zu einer “Netto-Gutschrift”, denn dann liegen die Einnahmen aus der
Rückverteilung höher als die Ausgaben für den Ressourcenverbrauch. Also wird
umweltschonendes Verhalten und ein entsprechender Lebensstil auch aus
finanziellen Gründen reizvoll. Dagegen zahlen Verschwender drauf, und doch
haben wir keine “gläsernen” Verbraucher!
Weitere Auswirkungen der gleichmäßigen Rückverteilung
Haushalte mit Kindern werden zu den Netto-Gewinnern gehören,
denn Kinder sind im Allgemeinen unterdurchschnittliche Nutzer von Umweltgütern.
Durch die überproportionale Steigerung der niedrigeren Einkommen werden
Nachfrage und Konjunktur belebt. Dies steigert in der Tendenz die Nachfrage
nach menschlicher Arbeit, ohne dabei den Schutz der Naturgüter zu behindern.
Wirtschaftswachstum entsteht also nur soweit und nur dort, wo tatsächlich
Bedarf ist. Die Menschen verfügen nämlich über mehr Kaufkraft (Geld)!
Gleichzeitig werden Investitionen in eher umweltschonende Produktion gelenkt.
Die Rückzahlung stellt ein bedingungsloses Grundeinkommen dar. Dies erleichtert
Schritte zur Arbeitszeitverkürzung, denn die Rückzahlung ist unabhängig von der
Erwerbsarbeit des Einzelnen garantiert. Anderes Arbeiten anstelle und neben der
Erwerbsarbeit wird begünstigt. Jedem Menschen ist eine “durchschnittliche”
Nutzung der Naturgüter möglich. Damit ist das Menschenrecht der gleichen und
kostenfreien Teilhabe an den Umweltgütern erfüllt.
Konkrete Beispiele und Zahlen
Berechnungen des
Solarenergie-Fördervereins (http://www.SFV.de)
geben ein Zahlenbeispiel für eine solche Umweltabgabe: Eine Verteuerung der
verbrauchten Endenergie von 2500 Mrd. kWh pro Jahr in Deutschland um 0,04 Euro
pro kWh ergibt eine Summe von 100 Mrd. Euro pro Jahr, also ähnlich wie im Berechnungsbeispiel
von Helmut Creutz zur Bodenrente. Diese Verteuerung wirkt sich mit ca. 0,04 €
pro kWh Elektrizität, ca. 0,33 Euro pro Liter Diesel, Benzin, Heizöl und etwa
0,40 Euro pro Kubikmeter Erdgas aus. Ein echter Anreiz für das 1-Literl-Auto! Dabei
dienen diese Zahlen nur als ein erster Anhaltspunkt, und selbstverständlich
bleibt Gestaltungsraum zur Förderung umweltschonender Energieträger! In der
Schweiz praktizieren es die “Stadtwerke” Basel bereits “im Kleinen”
(http://www.iwb.ch/media/Online-Schalter/Dokumente/lenkungsfoerderabgabe.pdf).
Dieses Modell eines Naturressourcen-Grundeinkommens ist
weltweit möglich und nötig. Es kann stufenweise eingeführt werden, sowohl
national wie international. Es hat günstige Auswirkungen auf die weltweiten
Verteilungskonflikte. Es befördert ressourcenschonendes Wachstum – wo nötig!
Im Bereich Boden und
Ressourcen ist der hier skizzierte Ansatz zukunftsweisend. Trotzdem reicht er
nicht aus, um uns komplett vom Wachstumsdruck zu befreien: Wachsende
Geldvermögen und Schulden vergrößern laufend die Scherenöffnung zwischen
zunehmend mehr “Geld ohne Bedarf” und “Bedarf ohne Geld”. Vielleicht bringt
aber die Diskussion dieses Modells auch die Diskussion über Reformen im
Geldsystem voran!
Alwine Schreiber-Martens Köln, 08.07.05